Portfoliomanagement

Primäres Ziel des Schuldenmanagements ist es, die Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland (des Bundes) jederzeit sicherzustellen. Daneben gilt es, die Zinskosten für die aufgenommenen Kredite über viele Jahre und unterschiedliche Marktphasen hinweg, möglichst gering zu halten. Dabei sollen gleichzeitig auch die aus der Schuldenstruktur resultierenden Zinsänderungsrisiken begrenzt werden.

Liquiditätssicherung

Kreditaufnahmebedarf entsteht einerseits aus der der Anschlussfinanzierung fällig werdender Bundeswertpapiere – der Schuldenstand bleibt hierdurch unverändert.  Andererseits kann die zusätzliche Aufnahme neuer Schulden im Rahmen einer Nettoneuverschuldung den Schuldenstand erhöhen.

Neben dieser eher langfristig angelegten Finanzierung muss der Bund auch unterjährig seine Liquidität sicherstellen, bspw. für den Bundeshaushalt benötigte Gelder pünktlich bereitstellen. Da der Geldbedarf des Bundes nicht täglich in gleicher Höhe eintritt oder bspw. auch Steuereinnahmen im Bundeshaushalt ungleichmäßig anfallen, schwankt der Kassenbestand des Bundes und muss täglich ausgeglichen werden. Das Konto des Bundes bei der Deutschen Bundesbank darf am Ende des Tages auf keinen Fall einen negativen Saldo aufweisen.

Balance zwischen Kosten und Risiken

Einen nicht unwesentlichen Ausgabenblock im Bundeshaushalt bilden die Zinszahlungen für die Schulden des Bundes. Diese Zinskosten sollen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit so gering wie möglich gehalten werden. Die Höhe der Zinssätze für die Kredite hängt in einem gewöhnlichen Marktumfeld mit der Kreditlaufzeit bzw. der Laufzeit der zur Finanzierung eingesetzten Wertpapiere zusammen. Es gilt bei einer ‚normalen‘ Zinsstruktur:

  • Je kürzer die Laufzeit, desto geringer die Zinskosten.
  • Je länger die Laufzeit, desto höher die Zinskosten.

Die Frage der Kosten muss allerdings immer im Kontext mit den damit verbundenen Risiken gesehen werden. Die Schuldenmanagementstrategie betrachtet neben dem Absatzrisiko und Liquiditätsrisiko auch das Zinsänderungsrisiko. Auch das Zinsänderungsrisiko hängt eng mit der Laufzeit der zur Finanzierung eingesetzten Wertpapiere zusammen - jedoch entgegengesetzt:

  • Je kürzer die Laufzeit, desto höher das Risiko, da der Kreditbetrag schon bald zu einem heute unbekannten Zinssatz refinanziert werden muss.
  • Je länger die Laufzeit, desto geringer das Risiko, denn umso länger sind auch die Zinskonditionen der Verschuldung festgelegt. Ein weiter in der Zukunft liegender Refinanzierungsbedarf erhöht heute die Planungssicherheit.
Kosten / RisikenHohes Zins- und RefinanzierungsrisikoNiedriges Zins- und Refinanzierungsrisiko
Relativ hohe Zinskosten 30-jährige Anleihe
Relativ niedrige Zinskosten1-jährige Anleihe 

Eine kurze Laufzeit und damit Zinsbindung der Wertpapiere verspricht zwar niedrigere Zinskosten, geht mit einem höheren Refinanzierungsrisiko einher. Eine lange Laufzeit bzw. Zinsbindung reduziert das Refinanzierungsrisiko, verursacht aber von vornherein höhere Zinskosten.

Vom optimalen Schuldenportfolio...

Aus Sicht des Schuldners liegt es unter dem Aspekt der Zinskostenersparnis nahe, sich aufgrund der gewöhnlich vergleichsweise geringen Zinssätze im kurzen Laufzeitbereich mit möglichst kurzer Zinsbindung (= Ausgabe von Anleihen mit geringen Laufzeiten) zu finanzieren. Diese Strategie birgt für den Emittenten jedoch das beachtliche Risiko innerhalb kurzer Zeit stark steigender Zinsen und damit steigender Zinsbelastung. Die alten Anleihen werden nach wenigen Monaten fällig und neue müssen mit immer höheren Zinssätzen begeben werden. Umgekehrt beinhaltet die kurze Zinsbindung aber auch die Chance, bei gleichbleibenden oder sogar rückläufigen Zinsen die Finanzierungkosten zu senken.

Höhere Planungssicherheit gewährleisten aus Sicht des Schuldners demgegenüber lange Zinsbindungen mit über Jahre oder Jahrzehnte relativ präzise kalkulierbaren Zinskosten. Die lange Zinsbindung geht jedoch bei einer ‚normalen‘ Zinsstruktur mit langen Laufzeiten der Anleihen und damit von vornherein höheren Zinssätzen und -kosten einher.

Mit Blick auf eine ausgewogene Zinskosten- und Risikostruktur im Schuldenportfolio ist es angesichts einer künftig nicht sicher vorhersehbaren Zinsentwicklung daher sinnvoll, die Zinsbindung der Bundesschuld möglichst gleichmäßig über kurze, mittlere und lange Laufzeiten zu verteilen. So geht der Bund keine überdurchschnittlichen Risiken ein und erreicht im Durchschnitt eine Zinskostenbelastung, die zwischen den niedrigen Zinsen am kurzen Ende und den relativ hohen am langen Ende liegt. Der Bund hat daher ein großes Interesse daran, fortlaufend Wertpapiere auszugeben, deren Laufzeiten sich über das gesamte Spektrum von 12 Monaten (Bubill) bis hin zu 30 Jahren (Bund) erstrecken.

Strategieoptionen

Grafik: In einem Diagramm werden die Kombinationen aus Risiko (X-Achse) und Zinskosten (Y-Achse) der klassischen Bundeswertpapierlaufzeiten (1, 2, 5, 10 und 30 Jahre) auf einer konvexen einer Kurve dargestellt. Kurze Laufzeiten sind im unteren Teil der Kurve abgetragen: Sie bieten für den Emittenten geringe Kosten, bergen aber das höhere Risiko, sich zu einem unbekannten Zins schon nach kurzer Zeit wieder neu finanzieren zu müssen. Lange Laufzeiten dagegen, liegen im oberen Teil der konvexen Kurve: Für sie müssen höhere Zinsen gezahlt werden. Dafür sind die Zinskosten aber für längere Zeit in ihrer Höhe fixiert, das Risiko sich ändernder Zinsen besteht nicht. Die Schuldenstrategieoptionen bestehen darin, den optimalen Punkt von Zinskosten und Risiko für das Gesamtportfolio an Laufzeiten zu finden.
Nach der Sicherstellung der Liquidität liegt der Hauptaspekt der Schuldenmanagementstrategie im Finden einer für den Emittenten effizienten Balance zwischen Kosten und Risiken für das Portfolio aller begebenen Wertpapiere.

...mit Blick auf Investorenbedürfnisse...

Ein derart breit gestreutes Angebot trifft am Markt jedoch auf eine vergleichsweise konzentrierte Nachfrage: Die potenziellen Käufergruppen bevorzugen im Regelfall bestimmte Laufzeitsegmente und sind im Einzelnen aufgrund ihrer spezifischen Anlageziele nicht an einem breit über alle Laufzeiten diversifizierten Portfolio aus Bundeswertpapieren interessiert. Pensionsfonds und Versicherungen fragen beispielsweise eher sehr lange Laufzeiten nach, Geldmarktfonds oder Zentralbanken bevorzugen dagegen sehr kurze Laufzeiten. Viele Rentenfonds wiederum präferieren den mittleren Bereich.

Da sich die kumulierte Nachfrage der potenziellen Käufergruppen nicht exakt gleichmäßig über alle Laufzeitsegmente verteilt, entstehen Abweichungen zwischen der gewünschten Angebotsstruktur des Bundes und der potenziellen Nachfragekonstellation. Zudem beeinflussen die jeweilige Marktsituation (aktuelle Rendite sowie Renditeerwartung) und die Referenzlaufzeit der am Markt vorhandenen Hedging-Instrumente (wie bspw. Bund-Future) die Nachfragesituation maßgeblich.

Die Wertpapieremissionen an dem vom Emittenten angestrebten Schuldenportfolio auszurichten, könnte dessen Benchmark-Status nachhaltig schaden und ist somit nur innerhalb gewisser Grenzen sinnvoll. Die Ausrichtung des Wertpapierangebots an der Nachfrage allein kann andererseits im Laufe der Zeit ein Schuldenportfolio entstehen lassen, das nicht den Kosten- und Risikopräferenzen des Emittenten entspricht.

 

…zum jährlichen Emissionskalender

Bei der Aufstellung des jährlichen Emissionskalenders sind daher mehrere sehr verschiedenartige Aspekte zu berücksichtigen. Zwar soll dieser bereits bestmöglich zur Erreichung der vom Bund angestrebten der Kosten- und Risikostruktur beitragen - am Ende ergibt sich durch die primär notwendige Orientierung an den Bedürfnissen der Nachfrager im Regelfall jedoch ein Emissionskalender, der das bestehende Schuldenportfolio nicht optimal ergänzt.

Aus diesem Grund wird der Finanzagentur durch das Haushaltsgesetz der Zugang zum Swap-Markt gewährt. Die nachfrageorientierte Emissionsstruktur kann damit durch ergänzende Swap-Transaktionen in eine für den Bund unter Zinskosten- und Risiko-Aspekten angemessenere Laufzeitenstruktur gewandelt werden. Bei diesem Prozess wird das Zinsrisikoprofil des bestehenden Schuldenportfolios in einem ersten Schritt als Ganzes analysiert, mit der aus Sicht des Bundes optimalen Zinskosten- und Risiko-Struktur abgeglichen. Dann werden die Abweichungen zwischen Ziel- und Ist-Struktur durch Swapgeschäfte so weit wie möglich eliminiert. Die optimale Portfoliostruktur ergibt sich damit unter Berücksichtigung der mit dem Swap-Geschäft und Emission verbundenen Risiken.

Zum Ende des Jahres 2022 belief sich das vom Bund abgeschlossene Bruttovolumen (= ohne Anrechnung von Netting-Effekten) der Swap-Verträge auf insgesamt 331,2 Mrd. €. Im Jahrersverlauf 2022 erhöhte sich der Bestand der Swap-Geschäfte damit um das Bruttovolumen von 24,6 Mrd. €. Erfasst wurden sämtliche Payer- und Receiver-Positionen (einen fixen Zinssatz zahlende bzw. empfangende Geschäfte) für Geld- und Kapitalmarkt-Swaps.

Die Zinsbindungsfristen des Bundes

Berichtsperiode
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022

Mittlere Zinsbindungsfrist
mit Zinsswaps

6,45 6,466,566,686,796,926,966,816,836,99

Mittlere Zinsbindungsfrist
ohne Zinsswaps

6,486,516,616,696,716,856,916,846,906,98

Zinsbindungsfristen des Bundes und seiner Sondervermögen mit und ohne Zinsswapgeschäfte in Jahren; Methodischer Hinweis: Wegen des zunehmenden Einflusses der inflationsindexierten Bundeswertpapiere wird deren prozentuale Gewichtung in der mittleren Portfoliolaufzeit gemäß einer Erfahrungsstudie der Finanzagentur auf 75 % begrenzt. Damit wird der monatlichen Zinsbindung des Indexanteils am ansonsten festverzinslichen Kupon Rechnung getragen.

Gesetzliche Grenzen & Risikomanagement

Zur Begrenzung von Kontrahenten-, insbesondere aber Marktpreisrisiken, die dem Bund aus Swap-Verträgen entstehen, wird jedes Jahr im Haushaltsgesetz für diese Geschäfte ein Maximalvolumen festgeschrieben. Derzeit gilt: Swap-Neuabschlüsse innerhalb eines Kalenderjahres dürfen maximal zu einer Erhöhung des gesamten Swap-Bestandes um 80 Mrd. € führen.

Diese, sowie eine Vielzahl weiterer Risiken und Limite werden mit einem eigens hierfür entwickelten Risikomanagementsystem überwacht und an das Bundesfinanzministerium reportet. Zudem wendet die Finanzagentur für das Risikomanagement des Schuldenportfolios analog der Banken die MaRisk an, die u.a. den Ausweis des Marktpreisrisikos des gesamten Portfolios erfordert sowie die Limitierung der Risiken in allen Aktivitäten. Andere Risikoarten wie z.B. das Kontrahentenrisiko im Einzelfall und operationelle Risiken sind der Portfoliosteuerung nachgelagert und werden grundsätzlich minimiert.

Diversifikation im Schuldenmanagement

Zu den Aufgaben des Schuldenmanagements und damit der Finanzagentur gehört außerdem die Einführung von für den Bund neuer Finanzierungsinstrumente für den Einsatz am Geld- und Kapitalmarkt. Primäre Ziele dabei sind die Hebung zusätzlicher Zinskosteneinsparpotenziale, eine bessere Diversifikation, die Schaffung noch effizienterer Wege zur Kreditaufnahme, sowie die Erschließung neuer Investorengruppen.

Als wesentliche Innovationen wurden bisher inflationsindexierte Bundeswertpapiere, auf US-Dollar lautende Fremdwährungsanleihen sowie Grüne Bundeswertpapiere begeben. Im Gegensatz zu Fremdwährungsanleihen, bei denen der Bund aufgrund der sehr selten am Markt vorhandenen Zinsvorteile einen eher opportunistischen Emissionsansatz verfolgt, wurden die inflationsindexierten und die grünen Bundeswertpapiere inzwischen zu einem festen Teil der strategischen Emissionsplanung.